In Taucha wird es am 02.07.2022 eine Demonstration unter dem Motto „Rechte Raumnahme stoppen – Keine Homezone für Nazis in Taucha“ geben. Aufgerufen zur Demonstration hat das Aktionsnetzwerk Leipzig nimmt Platz und die Antifa Aktion Leipzig.
Anlass ist der schwere rechte Übergriff auf einen Teenager am 22.06.2022 in Taucha und die zahlreichen weiteren Vorfälle aus den vergangenen Jahren.
Wir hoffen auf eine kraftvolle, entschlossen und Mut machende Demonstration.
Zum Vorfall -> https://saft.noblogs.org/post/2022/06/26/massiver-rechter-uebergriff-in-taucha-am-22-06-2022/
Ohne eine Bestätigung des Vorfalls durch polizeiliche Ermittlungen, werden Menschen weiter Zweifel am Hergang hegen. Wir respektieren die Entscheidung des Betroffenen, sich nicht an die Polizei zu wenden und empfehlen Betroffenen stets die Opferberatung SUPPORT des RAA Sachsen e.V. zu kontaktieren. Eine Anzeige würde nicht sicherstellen, dass dem Betroffenen geglaubt wird und ihn möglicher Weise sogar zusätzlich gefährden. Wir arbeiten also mit dem, was wir haben. Wir sind da im Zweifelsfall einfach erst mal parteiisch. Für Betroffene von rechter Gewalt in der Stadt ansprechbar zu sein, ist Teil unseres Selbstverständnisses. SAfT e.V. ist auch ein Raum für Empowerment, gegenseitige Unterstützung und Rückhalt. Betroffenen wird ja häufig nicht geglaubt. Gleichzeitig gibt es natürlich auch Fälle, die sich später als Erfunden herausstellen. Wir haben abgewogen, versucht nach unseren Möglichkeiten zu prüfen und sind zu dem Schluss gekommen, dass wir das erst mal für glaubhaft & plausibel halten!
Warum die Demo am 02.07.2022 sinnvoll ist
Im Vorfeld der Demonstration 2015 „Kamal K. von Rassisten ermordet! Nazis keine Ruhe lassen! Nichts wird vergessen, nichts ist vergeben!“ und auch der Kundgebung „Rechte Hetze ist keine Alternative“ 2020 wurde Angst vor einem unfriedlichen Verlauf der Veranstaltungen geschürt und teilweise bei vergangenen Veranstaltungen von SAfT e.V. vor „Polittourist:innen“ gewarnt. Ersteres trat bei keiner Veranstaltung ein. Bis auf rechte Provokationen verliefen die Veranstaltungen störungsfrei.
Im Folgenden wollen wir ein paar Überlegungen transparent machen, um unser Handeln verständlicher zu machen, aber auch zur Kritik einladen. Wir wollen so auch Menschen, die vielleicht bisher nicht so viel mit der Art von Engagement zu tun haben, offenlegen, was uns als Initiative bewegt und zu Entscheidungen führt.
1. Interventionen von „Außen“ sind legitim
Über Demonstrationen jenseits der Großstadt, für die viel in Leipzig oder anderen Großstädten mobilisiert wird, wird vor Ort häufig viel gestritten. Oft sind Positionen zu vernehmen, die solche Demonstrationen als eine unzulässige Einmischung von Außen betrachten. Es wird auf eine lokale Definitionsmacht bestanden. Dem soll an dieser Stelle eine andere Sicht gegenübergestellt werden.
Die Tauchaer Stadtgesellschaft ist keine Insel. Es gibt zahlreiche Verflechtungen mit Leipzig, dem Umland und vielen anderen Orten darüber hinaus. Ausgerechnet bei einem spezifischen gesamtgesellschaftlich relevanten Thema darauf zu bestehen, dass man das ausschließlich vor Ort verhandeln darf, macht keinen Sinn.
Seit einigen Jahren wir auch noch mehr darauf geachtet solche Interventionen nicht an den lokal aktiven Gruppen vorbei zu organisieren, sondern frühzeitig den Austausch und Absprachen zu suchen. Das heißt nicht, dass es auch ohne solche Absprachen sinnvoll sein kann, solche Demonstrationen durchzuführen. Aber da wo Strukturen bestehen und inhaltlich zusammengearbeitet werden kann, sollte das auch geschehen, sonst besteht schnell die Gefahr lokales Engagement unsichtbar zu machen, lokale Expertise zu ignorieren und die Mär von den „national-befreiten Zonen“ zu reproduzieren. Schließlich geht es auch darum nachhaltige Effekte zu erzeugen und lokale Gruppen langfristig zu stärken. Das ist auch in Fall der Demonstration am 02.07.2022 geschehen, wenn auch aufgrund der knappen Vorbereitungszeit nicht ganz reibungsfrei. Nicht zuletzt sollen solche Demonstrationen Öffentlichkeit für lokale Probleme schaffen, die Politik zum handeln bewegen, die Zivilgesellschaft vor Ort aktivieren und Engagierten Unterstützungsbereitschaft signalisieren. Manchmal sollen sie auch ganz konkret Schlimmeres verhindern, bspw. wenn bei pogromartigen Ausschreitungen Unterkünfte von Geflüchteten angegriffen werden. Gleichzeitig sollen solche Demonstrationen auch ein Zeichen an die extrem rechte Szene und andere Menschenfeinde senden, dass Gegenwind zu erwarten ist, deren Handeln beobachtet und öffentlich zum Thema gemacht wird.
2. Demonstrationen schaffen einen sicheren Ort
Bei der Kundgebung am vergangenen Mittwoch wurden wir von einigen Tauchaer:innen, aber auch von Auswärtigen, darauf angesprochen, ob wir uns sicher sind, dass wir eine Kundgebung nur mit ausschließlich lokaler Mobilisierung durchführen wollen. Es gab Bedenken bezüglich der Sicherheit der Teilnehmenden und dass man sich quasi auf dem Präsentierteller den Tauchaer Neonazis servieren würde. Wir sind das Risiko eingegangen und hatten Glück, dass sich so viele Tauchaer:innen eingefunden haben und die Polizei sich um die rechten Störer gekümmert hat. Wäre das anders gelaufen, wären wir sicherlich mit (auch berechtigter) Kritik konfrontiert gewesen fahrlässig gehandelt zu haben. Mit solchen Fragen müssen wir uns angesichts der „sächsischen Verhältnisse“ in Taucha beschäftigen!
Demonstrationen mit Unterstützung aus anderen Regionen schaffen einen Raum in dem sich auch lokal aktive Menschen relativ sicher und geschützt fühlen können. Es ermöglicht ihnen aus der häufig gefühlten Ohnmacht gegenüber den lokalen Verhältnissen auszubrechen, einen Moment der Stärke und Solidarität zu spüren. Nicht zuletzt macht es auch Spaß mit anderen Menschen gemeinsam seine politischen Forderungen auf die Straße zu tragen. Viele Tauchaer Jugendliche, fahren mangels Angeboten und dem Unwohlsein mit der rechten Präsenz in der Stadt nach Leipzig um politisch aktiv zu sein oder kulturelle Angebote wahrzunehmen. Wir hoffen sie finden den Mut zur Demonstration dazu zu stoßen, denn „Die Kidz sind okay“. Gleiches gilt natürlich auch für die Erwachsenen, besonders die, die Einschüchterungsversuche von Neonazis vielleicht selbst schon erlebt haben.
3. Demonstrationen müssen nicht allen gefallen
Das durchführen von Demonstrationen ist ein Grundrecht. Mensch darf auch jenseits vom eigenen Wohnort Demonstrationen anmelden und besuchen. Es gibt keine Demonstrationspflicht. Manchmal gibt es zu Demonstrationen sogar Gegendemonstrationen, mal spontan, mal organisiert. Leute können auch fast für jeden Quatsch demonstrieren, so lange sie es schaffen ein paar Worte für eine Anmeldung zu formulieren, teilweise funktioniert das aber auch ganz ohne, wie in den vergangenen zwei Jahren bei diversen unangemeldeten Aufzügen in sächsischen Kleinstädten zu sehen war. Es steht selbstverständlich auch allen frei Demonstrationen in Inhalt und Form zu kritisieren. Wenn Interesse an einer ernsthaften Auseinandersetzung über den Sinn und Unsinn solcher politischen Veranstaltungen besteht, dann sollten Statements besten Falls etwas ausführlicher ausfallen, als in ein paar wenigen Worten in den Kommentarspalten auf facebook.
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Was uns noch wichtig ist
Auch wenn die Stille aus der Tauchaer Politik und Stadtverwaltung für uns zu Beginn unseres Engagements als SAfT teilweise unverständlich und schwer zu ertragen war, haben uns auch in Taucha von Anfang an Menschen und Strukturen unterstützt, wenn auch nicht immer mit so lauter Stimme, wie wir es uns gewünscht hätten. Um so mehr freuen wir uns, dass vor Ort inzwischen ein solides Netzwerk entstanden ist! Initiativen aus Leipzig haben uns ebenfalls von Anfang an unterstützt und Hilfe angeboten, auch mit Gruppen aus anderen Kleinstädten in Sachsen waren und sind wir in engem Austausch.
Uns als Tauchaer:innen und Unterstützer:innen geht es und ging es nie um „Taucha-Bashing“ sondern darum, unsere Kritik auch immer mit konstruktiven Vorschlägen vorzutragen und selbst mittels Engagement und verschiedenen Formaten Akzente zu setzen. Wer unser Engagement als Spaltung erlebt, hat bestehende ausgrenzende und ausschließende Dynamiken in Taucha nicht gesehen oder nicht sehen wollen. Nun erleben manche unser Engagement als Störung, aber einfach darauf zu bestehen, dass alles bleibt, wie es ist oder war, funktioniert in einer sich ständig wandelnden Welt nicht.
Das Veränderungen Kraft kosten oder auch mal überfordern, können wir gut nachvollziehen, es nützt aber nichts den Kopf in den Sand zu stecken und im vermeintlich besseren Gestern zu verharren.
Wir laden dazu ein sich weiter gemeinsam für eine zukunftsfähige, vielfältige, offene und konfliktfähige Stadtgesellschaft einzusetzen.
Wir glauben in Taucha gibt es ein großes Potential den rechten Strukturen etwas entgegen zu setzen. Es gibt viele bestehende Initiativen, die sich für ein menschliches Miteinander einsetzen. Auch die Wiederwahl von Tobias Meier als Bürgermeister mit mehr als 75% der abgegebenen Stimmen gibt ein wenig Hoffnung. Die fortschrittlichen Teile der Tauchaer Stadtgesellschaft gilt es weiter zu aktivieren und zu ermutigen klar Position zu beziehen.
Für ein #SolidarischesTaucha !!!
Wir wünschen einen guten Demonstrationsverlauf.
SAfT e.V. – Solidarische Alternativen für Taucha